Wie man sein passendes System im CMS-Heuhaufen findet


Es ist eine Herausforderung, mit der fast jedes Unternehmen früher oder später konfrontiert wird: Die in die Jahre gekommene Content Management Plattform muss abgelöst werden. Zum einen lassen sich die Anforderungen der Redakteure an leistungsfähige, ergonomische Clients mit den Altsystemen nicht mehr befriedigen, zum anderen muten die eher statisch strukturierten Sites im Web 2.0-Zeitalter altmodisch an und sollen deswegen interaktiven und personalisierten Auftritten und Portalen weichen. Routine haben die wenigsten Verantwortlichen mit dieser Aufgabe.

Entsprechend groß ist die Verunsicherung. Wie soll man bei der Auswahl eines geeigneten Systems vorgehen? Wie lässt sich die Anzahl der Anbieter und Systeme sinnvoll eingrenzen? Und wie findet man schließlich heraus, welches Content Management System die individuellen Anforderungen am besten abdeckt? In seinen zehn Tipps liefert Dr. Michael Bark, Geschäftsführer der evodion Information Technologies GmbH, Antworten auf diese Fragen und gibt praxisnahe Handlungsempfehlungen.

Empfehlung 1: Höchstens 10 Systeme auf die Startliste setzen

Die Zahl der vorhandenen Content Management Systeme (CMS) auf dem Markt beläuft sich auf mehrere Hundert und wächst täglich weiter. Neue Anbieter erreichen immer wieder einen der vorderen Plätze in den verschiedenen Rankings. Sinnvoll ist es, wenn Sie zunächst die für Ihr Unternehmen essenziellen Leistungsmerkmale identifizieren. Dabei muss es sich um Anforderungen handeln, die nicht sowieso schon im Umfang eines Standard-CMS enthalten sind. Auf dieser Basis können Sie dann eine erste Liste erstellen, die aber auf keinen Fall mehr als zehn Systeme umfassen sollte.

Versuchen Sie nicht, eine vollständige Matrix der vorhandenen Systeme in Bezug auf die Leistungskriterien zu erstellen. Dieses Vorhaben erweist sich angesichts der hohen CMS-Dichte als wenig praktikabel. Unterstützung bei der Zusammenstellung der Startliste bekommt man durch herstellerneutrale Angebote wie beispielsweise unter www.contentmanager.de. Hier können Sie Ihre speziellen Anforderungen an das CMS zusammenklicken und erhalten eine Übersicht und eine Gegenüberstellung der in Frage kommenden Systeme.

Empfehlung 2: Rankings hinterfragen

Gerade bei der Internetrecherche nach einem geeigneten CMS stößt man auf eine Vielzahl von Rankings. Eine hohe Reputation hat beispielsweise auch der ECM Magic Quadrant von Gartner. Wenn Sie solche Rankings bewerten, dann beachten Sie, dass es sich zum Teil um sehr einseitige Sichtweisen handelt – zumeist von den USA aus auf den amerikanischen oder angelsächsischen Raum. Große internationale Anbieter haben aufgrund ihrer Marktdominanz in den USA oft sehr gute Positionen inne, während hiesige lokale Anbieter in der Regel unterbewertet sind. Was die Leistungsfähigkeit der Systeme angeht, ist eine schlechtere Einschätzung oft nicht gerechtfertigt. Deswegen: Schauen Sie insbesondere bei der Internetrecherche nicht nur stur darauf, welche Anbieter in den großen Rankings am besten bewertet werden, sondern prüfen Sie die Beurteilung immer mit einer lokalen Betrachtung gegen.

Beziehen Sie in Ihre Überlegungen mit ein, dass Sie einen lokalen Dienstleister benötigen werden, der die deutsche Sprache spricht und der die deutsche Kultur im Umgang mit Prozessen und der Abwicklung von Projekten kennt. Denn der Support von vielen CMS-Herstellern ist durchwachsen bis schlecht, so dass Sie definitiv auf kompetente Dienstleister in Ihrer Umgebung angewiesen sind.

Empfehlung 3: Gesamtkosten berücksichtigen

Beziehen Sie nicht nur die reinen Lizenzkosten in Ihre Überlegungen mit ein. Denn diese stellen nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten dar. Je nach Umfang des Projekts werden weitere Aufwände für Implementierung und Anpassung benötigt, die im Bereich des zwei- bis achtfachen der Lizenzkosten liegen. Hinzu kommen Wartungsgebühren, die nach fünf Jahren noch einmal mit rund 100 Prozent der Lizenzkosten zu Buche schlagen. In der Gesamtrechnung tauchen darüber hinaus noch Kosten für die Integration weiterer Applikationen, für Ausbildung und Schulungen sowie für die Belieferung von Content und Design auf. Für weniger anspruchsvolle Sites oder Portale stellen existierende Open Source-Implementierungen eine Option dar.

Empfehlung 4: Über- und Unterdimensionierung vermeiden

Lösungen, die von den Herstellern als High-End-Systeme positioniert werden, bieten für viele Anforderungsprofile ein unbefriedigendes Preis-Leistungs-Verhältnis. Lassen Sie sich nicht von der bunten Welt des Marketings und den Spezialfähigkeiten eines Produkts verzaubern und blenden. Eine Überdimensionierung verursacht unnötig Kosten – auch in der Wartungsphase. Nehmen wir das Beispiel Digital Asset Management. Für Online-Shops mit einer Vielzahl an Produktbildern und Bildvarianten ist es überaus wichtig, dass das CMS das Handling und die Auslieferung der Digital Assets perfekt unterstützt.

Besitzt man jedoch keinen Online-Shop, muss man sich gut überlegen, ob das CMS überhaupt ein ausgefeiltes Digital Asset Management mitbringen muss. Denn der Preis ist dadurch natürlich deutlich höher und Sie verursachen gegebenenfalls unnötige Kosten. Aber auch im umgekehrten Fall gibt es Probleme. Wenn Sie Features weglassen, die Sie eigentlich doch benötigen, müssen Sie die fehlende Funktionalität nachimplementieren – auch das kostet viel Zeit und Geld.

Empfehlung 5: Zukünftige Entwicklung berücksichtigen

Denken Sie an eine Langfristplanung. Berücksichtigen Sie in Ihren Überlegungen nicht nur die aktuellen Anforderungen und Wünsche, sondern auch die Entwicklung für die nächsten fünf bis acht Jahre. Wenn in Zukunft beispielsweise ein Portal im Sinne von myFirma mit personalisiertem Content, persönlicher Konfiguration oder Integration von Applikationen über Portlets zum Einsatz kommen soll, dann müsste gegebenenfalls auch eine Portallösung evaluiert werden. Ist eine enge Verknüpfung von Daten und Content aus anderen Quellen wie SharePoint oder SAP geplant, dann sollte das evaluierte System entsprechende Kopplungen und Schnittstellen bereitstellen.

Empfehlung 6: Weg mit den kleinen goldenen Locken

Achten Sie auf das Pareto-Prinzip, auch bekannt als die 80-zu-20-Regel. Sie besagt, dass mit 20 Prozent des Aufwands für eine hundertprozentige Lösung immerhin 80 Prozent der Gesamtlösung erreicht werden können. Das bedeutet, dass Sie gegebenenfalls unverhältnismäßig viele Ressourcen in einen kleinen Lösungsanteil investieren. Versuchen Sie daher, von dem perfekten Wunschsystem die kleinen goldenen Locken abzuschneiden. Es macht Sinn, wenn Sie vor der Entscheidungsfindung die involvierten Abteilungen wie Marketing, Vertrieb und Geschäftsleitung zu ihren Anforderungen und Wünschen befragen. Verlangen Sie aber auf jeden Fall, dass sie ihre Wünsche priorisieren, beispielsweise in KO-Kriterien, sinnvolle Kriterien sowie in Nice-to-have-Aspekte. Diese Nice-to-have-Aspekte sind die kleinen goldenen Locken, die Sie gnadenlos wegstreichen müssen. So sparen Sie Geld und Nerven und können bei der Produktauswahl flexibel agieren.

Empfehlung 7: Anzahl der Entscheider begrenzen

Auf den Verantwortlichen des CMS-Projekts werden viele Kollegen sowie Mitarbeiter aus Fachabteilungen wie der IT mit verschiedenen Vorstellungen, Empfehlungen und mehr oder weniger fundierten Meinungen zukommen. Wichtig ist: Halten Sie die Zahl der „Berater“ und Entscheider, die wirklich Einfluss nehmen, klein. Ideal sind fünf bis zehn Personen. Denn nichts hemmt den Prozess der Produktauswahl so sehr wie überbesetzte Komitees. Lassen Sie die konkrete Evaluierungsphase von möglichen Systemen nicht ausufern. Wenn Sie mehrere Monate damit verbringen, müssen Sie damit rechnen, dass neue Releases und neue Anbieter das Ranking durcheinanderwirbeln, dass Fusionen dazwischenfunken oder dass weitere „Berater“ auf den Plan treten.

Empfehlung 8: Migrationsstrategien überlegen

Entwickeln Sie im Vorfeld eine Strategie für Ihren bestehenden Content. Manchmal ist es billiger, die alte Site komplett mit dem CMS zu entsorgen, da die Migration von Content aufwändiger ist, als dies überwiegend eingeschätzt wird. Migrationstools und generische Ansätze gibt es nicht umsonst, und sie lohnen sich nur bei großen, einheitlich strukturierten Datenbeständen. In der Regel jedoch steht der Content eher unstrukturiert zur Verfügung, und die Metadatensysteme von Alt- und Zielsystem unterscheiden sich erheblich. Auch wenn es unmodern anmutet – es lassen sich auch Inhalte per Copy and Paste migrieren. Wenn Sie jedoch wesentliche Anteile des Contents migrieren müssen, sollten die Kandidaten der Short List geeignete Lösungen anbieten können.

Empfehlung 9: Anbieter auf Short List mit Proof of Concept testen

Stellen Sie eine Short List mit drei bis vier Kandidaten zusammen. Testen Sie die Kandidaten mit einem Proof of Concept, der essenzielle und individuelle Anforderungen abdeckt. Gegebenenfalls kann der Implementierungspartner bei der Erstellung des Inhalts für den Proof of Concept mitwirken und daran teilnehmen. Gemeinsam formulieren sie ein bestimmtes Szenario, beispielsweise dass Workflows bei der Freigabe von Dokumenten flexibel definiert werden können und je nach Dokumenttyp ein oder mehrere Instanzen die Qualität sichern. Die Anbieter müssen die jeweiligen Redaktionsprozesse dann im Proof of Concept zeigen können und werden von Ihnen entsprechend beurteilt. Die Entscheidungsfindung wird damit deutlich einfacher. Bedenken Sie, dass die Show des Vertriebs im Vorfeld der Schaulauf ist – bei der Kür in der Proof of Concept-Phase bestimmen Sie den Ablauf.

Empfehlung 10: Mit Pilotprojekt letzte Gewissheit schaffen

Befragen Sie ausführlich die Referenz-Ansprechpartner, die die Short List-Anbieter benannt haben. Nichts ersetzt authentische Berichte von Anwendern. Im Anschluss sollten Sie mit dem aussichtsreichsten Kandidaten ein kurzes Pilotprojekt durchführen. Dabei geht es nicht darum, die Leistungsfähigkeit des Systems in der Breite zu testen, sondern gezielt mit dem Anbieter bei lokaler Installation ein Szenario durchzuspielen. Insbesondere eignet sich dafür ein Prozess, der beim Altsystem gar nicht oder nur unbefriedigend lief, für Ihr Unternehmen aber eine hohe Relevanz hat. Konnten Sie beispielsweise bei Ihrem alten CMS keine Übersetzungsagentur einbinden, was für Sie aber eine große Erleichterung wäre, dann sollten Sie gemeinsam mit dem Anbieter diesen Prozess durchspielen. Schauen Sie und weitere Beteiligte sich beispielsweise anhand der Startseite an, wie schnell sich ein zweisprachiger Web-Auftritt realisieren ließe.

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