User Research ohne Budget


Screenshot Answerthepublic

Wer erfolgreiche Anwendungen entwicklen will, der muss den Nutzer in den Mittelpunkt stellen. Das ist leicht gesagt und den guten Willen dazu bringen inzwischen die meisten mit. Aber in der Praxis gibt es dann oft Probleme. Denn oft fehlen Zeit und Budget für eine ausführliche Nutzerforschung (“User Research”).

An sich gibt es einen ganzen Methodenkoffer wie Card Sorting, Tree Testing, Umfragen, Fokusgruppen oder Contextual Inquiry/Vor-Ort-Befragungen und weitere mehr. Diese sind immer lohnend und liefern wertvolle Erkenntnisse. Doch was tun, wenn man aus welchen Gründen auch immer nicht die Möglichkeit hat, mit echten Nutzern direkt zu sprechen, sie zu beobachten oder zu befragen?

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Man kann sich einfach auf sein Bauchgefühl verlassen und hoffen, dass man die Wünsche der Nutzer trifft. Doch weitaus erfolgsversprechender ist, zumindest die Recherchenmöglichkeiten zu nutzen, die einem kostenlos und unproblematisch zur Verfügung stehen. Diese gibt es dank Internet praktisch unbegrenzt, im Folgenden stelle ich die kurz vor, die in meinen Projekten bisher am nützlichsten waren.

1. Schritt: Was will ich überhaupt wissen?

Zunächst definieren Sie am besten ersteinmal, wo Sie Informationsbedarf haben. Geht es darum, die Nutzer festzulegen, zu definieren, wer die Zielgruppe ist? Oder wollen Sie wissen, welche Probleme, Fragen und Sorgen die Nutzer haben? Oder wollen Sie wissen, welche Begriffe die Nutzer verwenden?

Schreiben Sie auf, was Sie interessiert und gehen Sie mit dieser Fragenliste gezielt an die Recherche. Andernfalls droht die Gefahr, dass Sie sich verzetteln. Allzu interessant sind die Quellen, die zur Verfügung stehen.

Konkurrenzrecherche

Sehen Sie sich die Sites bzw. Anwendung der direkten Konkurrenz an. Was machen diese gut, was machen sie schlecht? Es geht nicht darum, Ideen zu kopieren. Es geht darum, zu sehen, was Nutzer sonst so gewöhnt sind von anderen Sites. Und darum, wo Sie etwas besser machen können.

Weiten Sie dann den Blick. Sehen Sie sich andere Sites an, die gar keine direkte Konkurrenz sind. Sondern die Ihre Zielgruppe vielleicht auch besucht. Oder die ähnliche Ansätze braucht wie Sie. Von Webshops können Sie z.B. immer etwas lernen. Diese verdienen direkt mit ihrer Website, daher sind sie meist auf Effizienz getrimmt. Aber auch Websites von gemeinnützigen Organisationen, die um Spendengelder werben oder für eine gute Sache sind lohnend. Auf allen diesen Sites sehen Sie, was Nutzer so geboten bekommen und worauf sie (vermutlich) ansprechen.

Quora , Facebook, Xing, LinkedIn…

Wenn Sie sich direkt an Endverbraucher richten, sind Frageportale wie Quora sowie Facebook gute Anlaufstellen, um ein Gefühl für die Sprache und die Fragen Ihrer Nutzer zu bekommen.

Richten Sie sich an Geschäftskunden (B2C), dann sehen Sie eher auf Xing oder LinkedIn in Gruppen und verfolgen Sie die Diskussionen dort.

Screenshot Gutefrage.netQuelle: Jens Jacobsen
Eine der bekanntesten Frage-Seiten in Deutschland ist gutefrage.net. Das Niveau von Fragen und auch Antworten ist nicht immer das höchste, aber es gibt einen guten Einblick ins Leben der normalen Netzbevölkerung.

Suchmaschinen

Welches Problem sie auch haben – fast jedes vertrauen Menschen heute Google an. Ob sie wissen wollen, wie man eine kleine Schnittwunde am besten versorgt, welche Hausmittel gegen Sonnenbrand helfen oder wie wir unserem Computer nach einem Viren-Befall wieder fit bekommen.

Daher sitzen die Suchmaschinenbetreiber auf einem Schatz. Den teilen sie freundlicherweise mit uns. Am einfachsten haben Sie Zugriff auf diesen, indem Sie die Vorschlagsfunktion nutzen (autosuggest oder autocomplete genannt). Sie sehen dann beim Eintippen schon, was die häufigsten Suchanfragen zu dem sind, was Sie bisher eingegeben haben.

Screenshot Autosuggest GoogleQuelle: Jens Jacobsen
Oft überraschend und immer hilfreich: Die Vorschlagsfunktion von Google.

Und Google weiß immer besser, welche Fragen Menschen haben. Sie müssen aber nicht jede Formulierungsvariante von allen Themen eingeben, die Sie beschäftigen. Sie können sich von ein paar Diensten helfen lassen.

Googlefight

Eher Unterhaltungswert hat Googlefight. Dort geben Sie zwei Suchanfragen ein und sehen, zu welchem es mehr Treffer auf Google gibt. Für den schnellen Vergleich zweier alternativer Begriffe aber dennoch ganz nützlich.

Screenshot googlefightQuelle: Jens Jacobsen
Schlecht übersetzt und nicht ganz zeitgemäß gestaltet, aber trotzdem hilfreich: Googlefight

answerThePublic.com

Sehr empfehlenswert ist die Website answerthepublic.com. Mit deren Hilfe finden Sie Fragen von Nutzern, auf die Sie garantiert nicht selbst gekommen wären. Und das alles höchst übersichtlich aufbereitet.

Die Site sammelt, was Google und Bing so ausspucken und sortiert dies für Sie. Suchen Sie etwa nach “Husten”, stellen Sie fest, dass die Menschen nicht nur wissen wollen, wann sie damit zum Arzt müssen oder welche Medikamente oder Hausmittel dagegen helfen. Sie fragen auch, warum wir überhaupt husten, wann man nach einem Husten wieder zum Laufen oder in die Arbeit gehen darf oder was “das Husten der Flöhe, mit dem man hausieren geht” bedeutet.

Screenshot AnswerthepublicQuelle: Jens Jacobsen

NgramViewer

Google Books ist eine riesige Quelle an digitalisierten Büchern. Hier können Sie mit Hilfe des Ngram Viewers nicht nur recherchieren, welche Begriffe heute gebräuchlicher sind, sondern auch sehen, wie sich das über die Jahre geändert hat.

Screenshot Ngram ViewerQuelle: Jens Jacobsen
Mehr als hundert Jahre zurück können Sie gehen im Zeitvergleich – sehr spannend zu sehen, wann welche Begriffe wie häufig verwendet wurden.

Moz Keyword Explorer

Der Moz Keyword Explorer ist ein kostenpflichtiger Dienst, den Sie in der Grundversion für ein paar Anfragen am Tag kostenlos verwenden dürfen. Damit sehen Sie schnell, welche Schlüsselwörter (keywords) wie häufig gesucht werden, welche Treffer diese bei Google liefern und wie hoch hier die Konkurrenz auf den Trefferseiten der Suchmaschinen ist.

Screenshot Moz Keyword ExplorerQuelle: Jens Jacobsen
In der Grundversion kostenlos und nicht nur für die Suchmaschinenoptimierung nützlich: Moz Keyword Explorer

Google Keyword-Planer

Der Keyword-Planer ist eigentlich dazu gedacht, AdWords also Werbeanzeigen auf Google zu planen. Trotzdem ist er auch sehr nützlich, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, welche Begriffe die Menschen bei Suchmaschinen eingeben.

Screenshot Keyword-PlanerQuelle: Jens Jacobsen
Etwas Einarbeitungszeit braucht man schon, um den Keyword-Planer sinnvoll einzusetzen. Das lohnt sich aber auch, wenn man wissen will, wonach Menschen suchen – und wofür Unternehmen Anzeigen schalten.

Fazit

Mit diesen Werkzeugen kommen Sie den Nutzern ein Stück weit näher. Interpretieren Sie aber alles, was Sie dort finden, mit Vorsicht und denen Sie daran, dass insbesondere bei neuen Ideen Ihnen das nur wenig weiterhilft. Denn kaum jemand sucht nach etwas, was es gar nicht gibt oder von dem er nicht weiß, dass es das überhaupt gibt.

Und jede Nutzerforschung lohnt sich, auch wenn sie nur mit ganz wenig Teilnehmern stattfindet und nur sehr kurz ist. Aber als ein Anhaltspunkt sind die gezeigten Sites dennoch hilfreich. Kennen Sie weitere? Dann freue ich mich über Kommentare!

Bildquellen

  • GuteFrage.net_-604×466: Jens Jacobsen
  • Autosuggest-Google-604×176: Jens Jacobsen
  • Googlefight-604×335: Jens Jacobsen
  • answerthepublic-604×439: Jens Jacobsen
  • Ngram-Viewer-Google-Books-604×439: Jens Jacobsen
  • Keyword-Explorer-Moz-604×439: Jens Jacobsen
  • Keyword-Planer-Google-Adwords-604×439: Jens Jacobsen
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