Interview: So startest Du die Automatisierung in Unternehmen


Automatisierung in Unternehmen

Zahlreiche Unternehmensprozesse – vor allem langwierige, repetitive Aufgaben – können heute automatisiert werden, um Zeit einzusparen und die Effizienz zu erhöhen. Aber wie geht man die Automatisierung in Unternehmen an? Denn einfach loszulegen ist nicht der richtige Weg. Zu oft haben sich über die Jahre Ineffizienzen und Fehler in Abläufen festgesetzt, die dann lediglich reproduziert und vielleicht sogar noch verschlimmert würden. Robert Wall, Geschäftsführer der T4DT GmbH, hat in den vergangenen Jahren nicht nur eigene Prozesse automatisiert, sondern unterstützt auch E-Commerce-Unternehmen auf ihrem Weg zu effizienteren Strukturen. Im Interview gibt er spannende Einblicke in die Praxis und teilt wertvolle Tipps für den Start.

Automatisierung in Unternehmen: Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis

contentmanager.de: Was hat Dich persönlich dazu gebracht, Dich auf das Thema Automatisierung zu fokussieren?

Robert Wall:

„Eigentlich ging es dabei erst nur um mich. Ich hatte einfach die Nase voll davon, ein IT-Büro zu führen, in dem man immer nur die Wahl hatte zwischen einer „Laissez-faire“-Verwaltung oder einem Verwaltungs-Overhead, der uns komplett gelähmt hat. Als Softwareentwickler habe ich mich immer mehr dafür geschämt, dass unsere Kund:innen, wenn wir mit ihnen ein paar Jahre gearbeitet hatten, viel effizienter und strukturierter waren als wir selbst.

Also habe ich angefangen, einen Prozess nach dem anderen umzukrempeln. Das Ziel war klar: Jeder Prozess, den wir anfassen, muss zu einer erheblichen Qualitätssteigerung des Ergebnisses führen. Nicht nur dazu, dass der Prozess selbst magisch verschwindet, sondern dass anstelle dessen ein echter Qualitätszugewinn stand. Im Umkehrschluss wurden die Prozesse also gar nicht unbedingt schneller, sondern manchmal sogar ein klein wenig langsamer. Aber immer um ein Vielfaches tiefer. 2023 ging es dann mit dem Launch der neuen OpenAI-API richtig los und wir konnten unzählige Werkzeuge für uns intern im Bereich der Kunden-Korrespondenz entwickeln.“

contentmanager.de: Mit welchen Herausforderungen kommen Unternehmen typischerweise zu Dir? 

Robert Wall:

„Das können wirklich alle möglichen Dinge sein. Das kann sogar so weit gehen, dass uns langjährige Kunden danach gefragt haben, wie ihr künftiger CTO sein müsste, wenn man die Stelle jetzt besetzen wollte. Manchmal geht es darum, einen kleinen Denkanstoß zu geben und einfach nur die bereits vorhandene Energie in die richtige Bahn zu lenken. Manchmal trifft man aber auch auf absoluten prozessualen Stillstand und muss überhaupt erst das Feuer für Vorgänge und Prozesse ganz neu entfachen.“

Die größten Missverständnisse über Automatisierung

contentmanager.de: Welche Missverständnisse rund um die Automatisierung begegnen Dir besonders oft?

Robert Wall:

„Erstens: Man begegnet häufig dem Gefühl, irgendjemand drückt den großen grünen Knopf und damit ist die Arbeit getan. Man muss nur den Knopf suchen und finden. Die Wahrheit ist aber: Was in 10 Jahren verkehrt oder undurchdacht gemacht wurde, teilweise aus organisch gewachsenen Erwägungen, das bekommt man nur unter großen Schmerzen angefasst. Wenn wir mit der Automatisierung beginnen, sinken daher zunächst einmal die Produktivität und die Zufriedenheit. Die Angst nimmt zu, die Anzahl der neuen und unerwarteten Herausforderungen macht keinen Spaß, sondern verunsichert zusätzlich.

Nach einer gewissen Zeit – je nach Komplexität ist das früher oder auch später – ist man dann genauso produktiv wie vorher. Und erst wenn man bereit ist, das zu akzeptieren und das auch in seine Planung explizit mit einbaut, ist man überhaupt erst in der Lage, seine Produktivität auf das dahinterliegende höhere Level zu bringen.

Zweitens: Automatisierung ist nichts Deterministisches. Ich kann nicht einfach hingehen und den manuellen Stecker ziehen und schwupps ist der Prozess automatisiert. Ich muss einen Prozess weitestgehend lückenlos erfasst und designt haben, um eine Chance auf einen brauchbaren Automatisierungsgrad, unabhängig von KI oder nicht, zu erlangen. Eine lückenlose Prozesserfassung ist nicht das hinreichende, sondern das notwendige Kriterium eines Automationsprojektes.“

So gehst Du die ersten Schritte: Prozesse erfassen und bewerten

contentmanager.de: Was empfiehlst Du Unternehmen, die noch ganz am Anfang stehen: Wie gehe ich das Thema Automatisierungen an? Wie finde ich heraus, welche Prozesse sich für die Automatisierung eignen? Kann ich Prozesse selbst automatisieren oder brauche ich Unterstützung?

Robert Wall:

„Der erste Schritt ist immer eine Form des BPM (Business Process Model). Ich erfasse erst einmal, womit ich es zu tun habe. Wer entscheidet wann was? Wo beginnt der Prozess und wo endet er aufgrund welcher Voraussetzungen? Ich empfehle, hier immer ein geeignetes Dokumentationsprogramm einzusetzen, das beispielsweise nativ Mermaid-Syntax für Flussdiagramme implementiert. Nur Prozesse, die ich vollständig erfassen kann, kann ich auch automatisieren. Ansonsten bleibt es bei Zuruf, Erfahrung und Spucke. Der erste Schritt ist also immer und grundsätzlich das Prozessdesign.“

Ein überraschender Punkt aus dem Interview: Du brauchst nicht sofort ein IT-Team oder eine Agentur. Zuerst musst Du intern jemanden haben, der den Prozess inhaltlich vollständig versteht – inklusive aller Ausnahmen, Sonderfälle und Abhängigkeiten.

contentmanager.de: Welche technischen Grundlagen sollten vorhanden sein, damit es überhaupt möglich ist, Automatisierungen zu implementieren?

Robert Wall:

„Ich habe eine Person, welche von einem festgelegten Prozess, etwa der Retourenerfassung oder zum Beispiel der Bearbeitung einer Kundenbeschwerde, einen umfassenden Blick auf alle Entscheidungsbäume hat. Das ist nicht einmal technisch, sondern vielmehr eine inhaltliche Anforderung. Die Herausforderung einer guten Automatisierung ist zu 95 % semantischer und nur zu 5 % technischer Natur. Wenn ich diese 95 % abgeschlossen habe, kann ich mir relativ einfach eine:n Freelancer:in oder eine Agentur suchen, die auf einer geeigneten Automationsplattform (n8n, make.com etc.) mein Flussdiagramm als Flow umsetzt.“

Anzeige

Automatisierung in Unternehmen ist ein Prozess – kein kurzfristiges Projekt

Automatisierung in Unternehmen funktioniert nicht auf Knopfdruck. Es ist ein Prozess, der Zeit, Struktur und vor allem echtes Prozessverständnis braucht. Aber der Weg lohnt sich: Nicht nur, weil Du damit effizienter arbeitest, sondern auch, weil Deine Abläufe robuster, skalierbarer und zukunftssicherer werden.

contentmanager.de: Hast du noch weitere Tipps für Online-Händler:innen?

Robert Wall:

„Die ersten drei Entwürfe einer Automatisierung scheitern oder überleben das erste Jahr nicht. Nimm Dir also nicht unendlich viel Zeit, um am Anfang alles richtig gemacht zu haben. Du wirst es eh in die Tonne treten. Erst nach 5–10 Versuchen und Entwürfen wirst Du das Gefühl dafür bekommen, was wichtig ist und worauf es ankommt. Also denk daran: Scheitern ist Teil des Plans.“

Über Robert Wall

Robert Wall ist seit 2018 Geschäftsführer der T4DT GmbH. Mit langjähriger Erfahrung im E-Commerce und besonderem Fokus auf Schnittstellenmanagement und Marktplatzanbindung unterstützt er Einzelhändler bei der Digitalisierung ihres Vertriebs. Sein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und Umsetzung technischer Lösungen, die komplexe Prozesse im Onlinehandel effizient und skalierbar abbilden.

Die T4DT GmbH mit Sitz in Hannover ist auf Schnittstellenlösungen und Digitalstrategien im E-Commerce spezialisiert. Aus dem Onlinehandel heraus entstanden, begleitet das Team heute hunderte Einzelhändler dabei, ihren Marktplatz-Vertrieb weltweit technisch abzubilden. Als JTL-Servicepartner und ChannelAdvisor Premium Partner bietet T4DT maßgeschneiderte Lösungen für den digitalen Handel – mit tiefem Praxiswissen und dem Ziel, komplexe Technik einfach für die Anwender nutzbar zu machen.

Previous FRIDAY Insights: Einfach. Intuitiv. KI. – So geht ERP heute.
Next Recap: Das war der KI im Marketing Kongress 2025

No Comment

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 × vier =