Interview: Online Markenschutz in Zeiten der Plattformökonomie


In der laufenden Berichtssaison richteten sich viele Augen von E-Commerce Interessierten auf die Geschäftszahlen der großen Treiber der Plattformökonomie, allen voran Alibaba und Amazon. Ins Licht rücken auch deutsche Player, wie Otto und Zalando, die ihre Webseiten immer mehr Dritten öffnen. Unter den Verkäufern tummeln sich auf den verschiedenen Online-Marktplätzen leider auch unseriöse Anbieter, die ebenfalls vom E-Commerce-Boom profitieren wollen. Warum also das allgemeine Wachstum im Onlinehandel auch Herausforderungen für den Markenschutz und die Markenführung mit sich bringt, besprechen wir im nachfolgenden Interview mit Stefan Hoffmeister, Digital Brand Protection Manager bei EBRAND Services.

Welche Vorteile bringt die Plattformökonomie, insbesondere für internationale Markeninhaber, mit sich?

So wie alle Verkäufer, können Markeninhaber ihre Markenwelt einer bereits vorhandenen Käuferschaft präsentieren. Sie erschließen sich neue Kunden und profitieren von der existierenden Infrastruktur der Online-Marktplätze. Wie der bereits vorhandenen Reichweite, einer standardisierten Produktdarstellung, Zahlungs- und Verkaufsabwicklung oder dem aufgebauten Kundenvertrauen in den Marktplatz. Der Vertrieb über einen solchen Vertriebskanal hat also eine niedrigere Eintrittshürde, als das Aufsetzen eines eigenen Webshops.

Wo sind auf der anderen die Risiken zu sehen?

Eben wegen des schnellen und im Verhältnis unkomplizierten Markteintritts beobachten wir, dass dies auch Produktpiraten anzieht. Sie nutzen diesen Vertriebskanal für den Verkauf von Grau-Importen, Produktfälschungen und Plagiaten. Das Risiko liegt beim Verbraucher in möglichen Gesundheitsschäden oder Unfällen. Händler und Hersteller haben mit Umsatzschwund, Haftungsfragen und Imageverlustgen zu kämpfen.

Vor welcher Herausforderung stehen die Markeninhaber?

Die Herausforderung für die Markenunternehmen liegt zum einen in der großen Anzahl an Marktplätzen weltweit. Alleine in China gibt es, neben den bekannten wie Alibaba, Taobao oder Tmall, noch mehrere hunderte andere Marktplätze. Weltweit wird die 1.000er Marke überschritten. Zum anderen kann es aber, in Abhängigkeit von den Produkten und der Markenbekanntheit schnell nicht nur zu zehntausenden, sondern sogar hunderttausenden Listungen von Angeboten kommen. Auf Basis der Vielzahl an Listungen ist eine laufende Analyse erforderlich: welche sind originär, also erlaubt, und welche sind missbräuchlich, verletzen also bestehende Markenrechte? Dieser Aufwand stellt viele mittelständische und selbst Großunternehmen vor enorme Herausforderungen.

Was unternehmen denn die Marktplätze selber gegen Produktpiraterie?

Die großen Online-Marktplatzbetreiber arbeiten mittlerweile kontinuierlich daran ihre Unterstützung und Mechanismen für Markeninhaber auszubauen. So arbeitet Alibaba, auch im Zusammenhang mit seinem Börsengang, der u.a. westliche Investoren anziehen soll, verstärkt daran sein Image zu verbessern und unternimmt konkrete Maßnahmen zum Markenschutz. Bereits 2017 gab Alibaba die Alibaba Big Data Anti-Counterfeiting Alliance bekannt. Initiiert von 20 internationalen Marken wie Louis Vuitton, Samsung oder Mars. Am World Intellectual Property Day 2018 unterzeichneten die International AntiCounterfeiting Coalition (IACC) und Amazon ein  Memorandum of Understanding (MOU), um ihre Zusammenarbeit in der Bekämpfung von Produktpiraterie weiter zu intensivieren. Amazon gibt an, dass sein Team auf Benachrichtigungen hinsichtlich einer Markenrechtsverletzung innerhalb von vier Stunden reagiert.

An der Grundproblematik hat sich allerdings nichts geändert: Nach wie vor sind die Marktplatzbetreiber nicht dafür verantwortlich, was Dritte zum Verkauf anbieten. Es gibt also keinen proaktiven Schutz, etwa bereits beim Einstellen von Listungen.

Von welcher Größenordnung reden wir denn eigentlich, was den Schaden für die Unternehmen angeht?

Nun, die aktuelle VDMA Studie Produktpiraterie 2018 zeigt z. B., dass 71 Prozent der Unternehmen von Produktpiraterie betroffen sind. 82 Prozent der Unternehmen nannten China als Herkunftsort von Plagiaten. In Österreich ist der Anstieg von Produktfälschungen besonders alarmierend: Die Zahl der beschlagnahmten Produkte ist in 2017 um satte 237 (!) Prozent gestiegen, gab das Finanzministeriums (BMF) in seinem Produktpirateriebericht 2017 bekannt. Die Einnahmeverluste sind bei Bekleidung und Schuhwaren mit Abstand am höchsten: 632 Millionen Euro verliert Österreich hier an dreiste Produktfälscher. Auf Platz 2 bei den Einnahmeverlusten liegen Arzneimittel: 109 Mio. Euro gehen hier insgesamt verloren.

Welche Maßnahmen können Markeninhaber zur Bekämpfung von Produktpiraterie ergreifen?

Für Markeninhaber ist der unerlässliche erste Schritt zum proaktiven Schutz ihrer Rechte die Eintragung von Intellectual Property (IP). Zu empfehlen ist eine Kombination von technischen (Patent, Gebrauchsmuster) und nichttechnischen (Marke, Urheberrecht, …) Schutzrechten.

Das zweite ist das Aufsetzen eines Monitorings der betroffenen Vertriebskanäle. Damit meinen wir die systematische Überwachung von Online-Marktplätzen nach Listungen von Produkten der jeweiligen Marke. Am besten nicht nur von einzelnen Marktplätzen, sondern von ganzen Regionen, im Idealfall. Die Erfahrung in der Betreuung unserer Kunden zeigt, dass ein Produktpirat einfach den Marktplatz wechselt, wenn man auf dem einen erfolgreich gegen ihn vorgegangen ist. Also sollte man auch die anderen im Auge behalten, um gegen wiederkehrende Verkäufer tätig werden zu können.

Der dritte Schritt wäre das sogenannte Enforcement, wir nennen es im deutschen oft „Bereinigung“ von Listungen. Hat man aus der Gesamtzahl der Listungen die missbräuchlichen gefiltert, muss man dafür sorgen, dass diese vom Marktplatz heruntergenommen werden. Da viele Markeninhaber mit dem Fachhandel zusammenarbeiten, ist hier eine saubere und sorgfältige Analyse, teils mit viel Fingerspitzengefühl notwendig, um nicht aus Versehen gegen originäre Angebote vorzugehen.

Wie so ein strategisches Vorgehen aussehen kann, beschreib EBRAND SERVICES in einem kurzen Erklärvideo:

Über Stefan Hoffmeister

Stefan Hoffmeister ist Digital Brand Protection Manager bei EBRAND Services, einem Experten für Online Markenschutz und Markenführung mit Sitz in München.

Website: https://ebrandservices.de

Previous Sky und Fiat-Chrysler bauen Kooperationsplattform
Next Leads generieren und pflegen in Zeiten der DSGVO

No Comment

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

fünfzehn + 13 =