Open Source Firmen-Wikis – Die neue Generation


Wikis

Eine neue Generation Wikis? Warum denn das? Da sind wir gerade an dem Punkt, an dem man davon ausgehen kann, dass die Unternehmen Enterprise 2.0 für sich entdeckt und seine Vorteile für sich schätzen gelernt haben, und schon steht eine zweite Generation Wikis vor der Tür und begehrt Einlass in die Firmenkommunikation? Doch keine Angst, das Web 3.0 mit seinem semantischen Hintergrund, gesteigerter Mobilität von Anwendungen und anderen wegweisenden Entwicklungen steht zwar schon in den Startlöchern, doch zunächst geht es darum, dass bekannte Systeme für Businessanwendungen optimiert werden.

Entwicklung

Als erste Generation von Enterprise Wikis gelten die verschiedenen Open Source Wikis wie MediaWiki, Dokuwiki, TWiki, Moinmoin u.ä. Diese waren meist auf elementare Funktionen beschränkt und taugten daher nur bedingt für den Einsatz im Unternehmen. Atlassian, mit seinem Erfolgswiki “ Confluence „, war dann eines der ersten Unternehmen, die ein eigenes, proprietäres Wiki anboten, das speziell für Businessanwendungen geeignet war.

Doch die Open Source Wikis zogen nach, denn die Vorteile der riesigen Entwickler-Community, die die freien Wikis unterstützt, sind auch den Unternehmen nicht verborgen geblieben. Verschiedene Anbieter entwickeln seitdem Erweiterungen der bestehenden freien Software und bieten diese ebenfalls als Open Source Software an.

Die Businesserweiterungen werden paketweise auf das solide Basissystem „draufgesetzt“ und als Distributionen vertrieben. So wurden aus den ehemals rudimentären Wikis professionelle Firmenwikis, die proprietären Lösungen mühelos das Wasser reichen können. Unter der zweiten Generation Wikis verstehen wir also Wikis, die ein vorhandenes Basissystem (freies Wiki) auf Unternehmensbedürfnisse hin optimieren (vgl. den Eröffnungsvortrag am 2. März zu E-Learning 2.0 auf der Webciety 2011 von Martin Lindner).

ICKEwiki und BlueSpice

Hier sind zwei Beispiele für diese zweite Generation, nämlich ICKEwiki und BlueSpice:

Das ICKEwiki wurde von Cosmo Code, einem Berliner Unternehmen, zusammen mit dem Fraunhofer Institut und der Hochschule für Technik und Wirtschaft, im Rahmen eines Forschungsprojektes entwickelt. Es baute die bestehenden Funktionen von DokuWiki aus, z.B. die Abbildung von Prozessmodellen. Informationen zur Qualitätssicherung (Seitenanalyse) kann man sich über ein Widget anzeigen lassen und Projekttagebücher mit Zeitstempel ermöglichen die Auflistung von Notizen.

Screenshot ICKEwikiScreenshot des ICKEwiki Demos

BlueSpice for MediaWiki bezieht sich, wie der Name schon sagt, auf MediaWiki als Basissystem. Die BlueSpice Erweiterungen integrieren Best Practices und die Erfahrung aus zahlreichen Kundenprojekten der Hallo Welt! GmbH. So findet man dort z. B. ein Workflowsystem, ein professionelles Rechtemanagement, eine optimierte PDF-Exportfunktion, einen abgerundeten WYSIWYG-Editor, einen integrierten Blog und eine „Shoutbox“ als schnelle Kommentarfunktion auf der Wiki-Seite. Über eine Administrationsoberfläche kann das Wiki schnell und einfach konfiguriert werden.

Screenshot BlueSpice for MediaWiki DemosScreenshot des  BlueSpice for MediaWiki Demos

Merkmale der neuen Wiki-Generation

Sechs Aspekte sind unserer Ansicht nach bei den Wikis der zweiten Generation besonders hervorzuheben:

1. Neue Funktionen und Prozesse

Dass ein Wiki eine hervorragende Basis bildet, um Wissensmanagement in Firmen zu unterstützen, darüber ist man sich inzwischen einig. Doch viele Begeisterte wurden in ihrer Euphorie gebremst, als sie mit schwierigen Installationsroutinen, fehlenden Anbindungen an die bestehende Infrastruktur und weiteren Kinderkrankheiten bei Wikis der ersten Generation konfrontiert wurden. Nicht selten entschieden sie sich deshalb für komplett andere Lösungen, wie z. B. SharePoint.

Doch Wikis sind gerade im Businessbereich nicht stehen geblieben. Im Gegenteil, sie haben sich in den letzten Jahren zu flexiblen und handhabbaren Lösungen gemausert, die in den verschiedensten Anwendungsgebieten eingesetzt werden: für Dokumentationen, als Glossare und im Projektmanagement. Und sie werden zunehmend an Unternehmensbedürfnisse angepasst. Von der Checkliste über Freigabemechanismen bis hin zur Darstellung von Geschäftsprozessen mittels semantischer Erweiterungen lassen sich Wikis für den jeweiligen Anwendungsfall optimieren.

2. Angepasste Philosophie

Mit den zusätzlichen Features geht auch eine wesentliche Veränderung in der Philosophie, die den Wikis zugrunde liegt, einher. War vor Jahren das schlagende Argument, dass Wikis offene Systeme ohne Beschränkung darstellen (jeder darf überall schreiben und verändern), so wurde in den letzten Jahren im Firmenalltag offensichtlich, dass diese Auffassung nicht immer praktikabel ist. Demzufolge wurde das Rechtemanagement stärker differenziert, um den hierarchischen und organisatorischen Erfordernissen einer Firma besser gerecht zu werden. Schließlich verwaltet diese durchaus Datenbestände, die nicht jedem Nutzer zugänglich sein sollen und, aus rechtlicher Sicht, auch nicht zugänglich sein dürfen. Beispiele hierfür sind Personalakten, manche Managementinformationen und ähnliche Unterlagen.

Wikis der zweiten Generation ermöglichen nun, abgeschlossene Bereiche zu erstellen, die nur definierten Nutzern zugänglich sind. Wikis mit Beschränkungsfunktionen werfen den Wikigedanken von flachen Hierarchien und kollektiver, übergreifender Zusammenarbeit nicht völlig über Bord. Eine entsprechende Unternehmenskultur, die den Nährboden bietet, um ein Wiki wachsen zu lassen, ist nach wie vor eine notwendige Voraussetzung.

3. Attraktives Äußeres und Benutzerfreundlichkeit

Die neue Generation von Wikis setzt auf professionelles „look and feel“, d.h. ansprechendes Design und verbesserte Usability. Dabei sind nicht nur relativ offensichtliche Elemente gemeint wie der WYSIWYG-Editor, der das Erlernen der Wikisyntax für das Bearbeiten von Artikeln weitgehend überflüssig macht (dieser ist heute sowieso fast überall Standard oder sollte es zumindest sein). Die neue Generation Wikis wartet mit vielen kleinen Zuckerstückchen auf, die die Bedienung flüssig, dynamisch und übersichtlich machen. Dies liegt unter anderem an der vermehrten Verwendung von Ajax, welches das erforderliche Neuladen von Seiten in den Hintergrund verlegt und für einen schnellen Bildschirmaufbau sorgt. Des Weiteren werden seltener benötigte Informationen und Funktionen versteckt, um die Übersichtlichkeit zu bewahren. Versteckte Funktionen werden über sanfte Animationen aufgerufen, um den Vorgang dynamisch erscheinen zu lassen.

Auch die Usability von Wikis der neuen Generation ist entscheidend verbessert worden. Neben Selbstverständlichkeiten wie einem WYSIWYG gibt es zusätzlich komfortable Funktionen wie z. B. eine grafische Administrationsoberfläche, die es dem Administrator erspart auf der Skriptebene arbeiten zu müssen.

4. Anbindung an andere Systeme

Besonders großen Wert legen die Kunden auf die Flexibilität, die Wikis bieten. Dies betrifft nicht nur Anwendungs-, sondern vor allem auch Integrationsanforderungen. Die „neuen“ Wikis treiben nicht mehr nur als vereinzelte, unbekannte Inseln herum, sondern schlagen Brücken zu verschiedensten prominenten Plattformen wie z. B. Sharepoint. Auch in bestehende Content Management Systeme wie Joomla! oder Drupal , ERP-Systeme und CRM-Systeme (z. B. vtiger) werden Wikis integriert. Die sogenannten „Bridges“, mit denen dies geschieht, synchronisieren Daten und erzeugen durch Kombination der Systeme Synergie-Effekte.

5. Analyse der Wiki-Inhalte

Die Analyse ist ein weiterer Punkt, der die neue Wikigeneration kennzeichnet. Fortgeschrittene Wikis ermöglichen es, das Geschehen innerhalb eines Wikis sichtbar zu machen. Was, wie viel, wie oft, wann, wo – Statistiken ermöglichen es, eine Metastruktur über das Wiki und die Arbeit darin zu generieren. In welchen Bereichen werden Wissenslücken sichtbar, welche Personen können als Kompetenzträger identifiziert werden, was sind aktive, was passive Bereiche in der Wissensnutzung? Daten einer solchen Metastruktur ermöglichen es, Auswertungen in Hinblick auf das Erfüllen gesetzter Ziele vorzunehmen, erzeugen damit Feedback und legen den Bedarf an weiteren Wissensmanagementmaßnahmen offen. So tragen Sie wesentlich zum Lernprozess in Unternehmen bei.

6. Wartung und Support

Unternehmen, die auf freie Wikis setzen, behalten ihre Unabhängigkeit. Zum einen werden sie durch die Open Source Software nicht in ein Bezahlsystem gezwungen. Zum anderen bleiben ihre Wissensbestände in einer freien Standardsoftware. Anbieterwechsel sind jederzeit möglich, ohne die Software selbst wechseln zu müssen. Diese Freiheit hatte bisher ihren Preis. Insbesondere die Wartung der Systeme hatte es notwendig gemacht, Mitarbeiter mit Wiki-Erfahrung im Haus zu haben. Da viele Firmen vorzugsweise temporäre Mitarbeiter, wie etwa Praktikanten oder Werksstudenten, mit dem Aufbau eines Wikis beauftragten, lag das Wikisystem oft brach, sobald diese die Firma wieder verlassen hatten. Mittlerweile gibt es jedoch viele Firmen, die Unterstützung in Sachen Wartung und Support der freien Software anbieten.

Quo vadis?

Es zeigt sich erneut, dass Wikis flexible Systeme sind, die Erfahrungswerte adaptieren und sich so den verändernden Anforderungen von Unternehmen und Nutzern anpassen. Durch spezifische Distributionsmodelle wie das von ICKEwiki und BlueSpice for MediaWiki, wird es Firmen erleichtert, notwendige Anpassungen vorzunehmen. 2010 wurden bereits erste Wikis der zweiten Generation vorgestellt, und mit Spannung können weitere Anpassungen und neue Entwicklungen in diesem Jahr erwartet werden.

Links zu der genannten Wiki-Software:

www.blue-spice.org
www.ickewiki.de
www.atlassian.com

 

Autoren: Anja Ebersbach und Nathalie Köpff

Bildquellen

  • wiki-button-xs: http://photodune.net/user/Bloomua
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