Es ist längst Standard: Online-Händler bieten Ihren Besuchern deutlich mehr, als nur eine Shopping-Plattform. Die Kunden wollen unterhalten und informiert werden. Außerdem ist die Schaffung von relevantem Content ja längst eine eigene Marketingdisziplin.
Technisch kann dies bedeuten, dass es nicht mehr das eine System ist, das allen Anforderungen an eine zeitgemäße E-Commerce-Plattform erfüllt, sondern ein CMS und ein Shopsystem gleichzeitig betrieben werden. Wir sprechen darüber mit Thomas Rudin und Daniel Reyhe von der Netpioneer GmbH.
contentmanager.de: Wie sollte die Architektur für ein erfolgreiches Zusammenspiel von CMS (redaktionelle Inhalte, Videos, Bilder) und E-Commerce-Plattform (Shop, Produkte, Eigenschaften) aussehen?
Rudin: Tatsächlich lautet die beste Antwort auf diese grundsätzliche Frage: Es kommt darauf an. Zum einen natürlich auf die Anforderungen, die ein Anwender an die jeweiligen Systeme hat. Zum anderen darauf, ob bereits eines der Systeme vorhanden ist und weiterhin genutzt werden soll. Idealerweise verfügen CMS und E-Commerce-System über passende Konnektoren. Will man beide Systeme neu einführen, sollte dies bei der Auswahl ein wichtiges Kriterium sein. Ist bereits ein System vorhanden, etwa das CMS, lohnt es sich, zunächst festzustellen, zu welchen E-Commerce-Lösungen Konnektoren angeboten werden. Diese Lösungen sollte man sich dann näher anschauen.
Entscheidet man sich für Systeme, die nicht über passende Konnektoren verfügen, kann es sinnvoll sein, eine Zusatzkomponente einzusetzen – beispielsweise ein Product Information Management System oder einen Suchindex. Der Vorteil eines zwischengeschalteten dritten Systems ist die höhere Flexibilität: Produktdaten lassen sich so in der Regel schneller zwischen Content Management- und E-Commerce-System übertragen. In jedem Fall sollten die Systeme, die man einsetzen möchte, über offene Schnittstellen verfügen.
contentmanager.de: Macht es einen Unterschied, ob es sich um einen B2C- oder B2B-Shop handelt?
Rudin: Die größten Unterschiede zwischen B2C- und B2B-Shops gibt es bei der Anzahl der Zugriffe sowie bei den Aspekten Hochverfügbarkeit und Sicherheit. So ist bei einem großen B2C-Shop das Zugriffsvolumen in der Regel deutlich höher – und dadurch natürlich auch die Belastung für das System. Dementsprechend muss man ein CMS und eine Shop-Plattform auswählen, die für diese Belastung geeignet sind. Zudem haben Hochverfügbarkeit und Ausfallsicherheit im B2C eine noch höhere Priorität. Im B2B-Bereich ist es hingegen oft so, dass der Shop über ein gesichertes Unternehmensnetzwerk ausschließlich für registrierte Handelspartner zur Verfügung gestellt wird. Das kann dann gegebenenfalls zu anderen Sicherheitsanforderungen führen als bei einem B2C-Shop. Von der Architektur per se sollte es aber keinen Unterschied zwischen B2B- und B2C-Shops geben.
contentmanager.de: Warum braucht man überhaupt ein gesondertes CMS?
Rudin: Unsere Erfahrung ist, dass ein spezialisiertes System die jeweiligen Anforderungen in einem bestimmten Bereich einfach am besten abdeckt. Im Hinblick auf den großen Trend Content-Commerce – also dem Anliegen, Kunden durch hochwertigen Content zum eigenen Shop zu holen, die Verweildauer dort zu steigern und Produkte im Rahmen serviceorientierter, informativer und unterhaltsamer Themenwelten zu präsentieren – ist ein hochprofessionelles CMS daher unverzichtbar. Als spezialisiertes System bietet es mehr Möglichkeiten, Content-Einheiten zu pflegen oder Drittanbietern wie beispielsweise Marktplätzen bestimmten Content zur Verfügung zu stellen.
contentmanager.de: Welches der Systeme sollte das führende System/das Frontend für den Besucher sein – und warum?
Rudin: Hier kommt es wieder auf das System und auf die Website an. Angesichts der aktuellen Entwicklungen – Stichwort Content-Commerce – würde ich sagen, dass das CMS hier inzwischen in den Vordergrund rückt und das Shop-System zunehmend nachgelagert wird. Das hat natürlich damit zu tun, dass Content eine immer größere Rolle spielt und immer mehr Inhalte rund um die Produkte angeboten werden. Das Shop-System dient dann unter anderem als eine weitere Datenquelle für das CMS. Das CMS ist von vornherein für die Anzeige des Contents ausgelegt und hat hier seine Stärken, auch was die Darstellung auf unterschiedlichen Endgeräten angeht. Es geht natürlich auch andersherum: Dann ist das CMS nur für die reine Content-Pflege verantwortlich. Die Entscheidung, welches System im Vordergrund steht, kann auch davon abhängig sein, ob es bereits ein bestehendes System gibt, das beibehalten werden soll.
contentmanager.de: Worauf sollten Unternehmen bei der Software-Auswahl achten?
Rudin: Meiner Meinung nach sollte die Produktstrategie der jeweiligen Hersteller im Fokus stehen. Wie sieht die Update-Strategie aus? Gibt es überhaupt ein regelmäßiges Update? Passt der Update-Pfad zu meiner Arbeitsweise im Unternehmen? Bei der Software-Auswahl ist der Blick in die Zukunft wichtig, nicht nur der Blick auf den Status-quo oder in die Vergangenheit. Man sollte also genau prüfen, wie die Roadmap des Herstellers aussieht. Unsere Erfahrung ist, dass daran bei der System-Auswahl oft noch zu wenig gedacht wird. Die meisten interessieren sich für den Preis und dafür, was das System momentan leistet. Vorauszudenken gehört aber bei einem Software-Projekt unbedingt mit dazu.
contentmanager.de: Welches ist das beste Vorgehen bei der Implementierung, wenn beide Systeme neu aufgesetzt werden?
Reyhe: Die Systeme sollten logisch getrennt aufgesetzt werden, zum Beispiel auf zwei Servern. Dabei sollte man auf ein Höchstmaß an Flexibilität achten, damit man die Systeme bei Bedarf unkompliziert weiter ausbauen kann. Wichtige Stichpunkte sind hier Skalierbarkeit und Hochverfügbarkeit. Zudem kann es sinnvoll sein, ein identisches Test-System aufzustellen. Grundsätzlich ist eine gute Planung wichtig, ganz besonders, wenn viele Komponenten über Schnittstellen angebunden werden müssen. Gerade beim Thema Schnittstellen lauern zahlreiche Stolperfallen, daher muss man von Anfang an darauf achten, dass diese offen und kompatibel sind. Schnittmengen der Systeme und Datenmodelle müssen ebenso vorab definiert werden wie der gesamte Release-Prozess.
contentmanager.de: Welches ist das beste Vorgehen bei der Implementierung, wenn nur eines der Systeme neu aufgesetzt wird?
Reyhe: Hier muss man das ausliefernde System beachten. Bleibt es dabei oder muss ich die Rollenverteilung der beiden Systeme umkehren? Das Vorgehen an sich ist wieder ähnlich, wie bei zwei neuen Systemen. Auch hier sollte man das neue System logisch getrennt aufsetzen. Am Anfang hat man einen größeren Analyseaufwand, um beide Systeme in Einklang zu bringen. Welchen Einfluss hat das neue System auf das alte System? Muss man Testfälle anpassen? Wie sieht es mit den Schnittstellen aus? Passende Konnektoren können hier einiges vereinfachen.
contentmanager.de: Gibt es besonders kritische Punkte, die im Zusammenspiel von CMS und E-Commerce-System immer wieder problematisch sind? Falls ja, welche sind das und warum?
Reyhe: Kritische Punkte sind immer wieder: Schnittstellen und Datensynchronisation. Ein Shop kann nur erfolgreich performen, wenn jederzeit aktuelle Produktdaten auf allen relevanten Systemen zur Verfügung stehen. Allerdings ist die Synchronisation dieser Daten ein oft unterschätztes Problem. Dafür gibt es unterschiedliche Lösungsansätze: Zum einen den sogenannten ‚Master-Slave‘-Ansatz: Dabei gibt es ein Hauptsystem, von dem aus die Daten im nachgelagerten System überschrieben werden. Zum anderen gibt es die Option, dass die Systeme gleichberechtigt sind und Daten permanent synchronisiert werden. Eine weitere Möglichkeit ist es, ein PIM als führendes drittes System einzusetzen. Doch egal, für welchen Weg man sich entscheidet – damit die Performance stimmt, sind ein guter Caching-Mechanismus und eine stimmige Caching-Strategie entscheidend. Besonders bei komplexen Systemen muss man sorgfältig zwischen Aufwand und Leistung abwägen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, bei solchen IT-Projekten das Know-how eines erfahrenen Implementierungspartners in Anspruch zu nehmen. Dieser sollte die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Lösungen und Implementierungsoptionen kennen, bedarfsgerecht beraten und unterstützen können. Ein qualifizierter Partner kann einem Unternehmen helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. In Beratung und Unterstützung zu investieren ist letztendlich oft günstiger, als Fehlinvestitionen in eine unpassende Software zu spät zu bemerken.
Bildquellen
- offline-shopping: unsplash.com - Yuriy Trubitsyn
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