Der Versand von Newslettern ist im digitalen Marketing zurecht ein Dauerbrenner. Gleichzeitig sorgte das Thema Datenschutz in den letzten Jahren immer wieder für Unsicherheit. Was darf man eigentlich noch ohne explizite Einwilligung und Double-Opt-In versenden? Und ab wann wird’s heikel? Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bringt neue Klarheit und neue Möglichkeiten für viele Unternehmen. Denn: Unter bestimmten Bedingungen dürfen Unternehmen Newsletter auch ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung an Geschäftskund:innen versenden. Das EuGH Urteil stärkt damit den Handlungsspielraum im E-Mail-Marketing – allerdings nur, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind.
Was genau hat der EuGH entschieden?
Im Kern ging es bei dem Urteil um die Auslegung der sogenannten ePrivacy-Richtlinie. Diese regelt – ergänzend zur DSGVO – die Anforderungen an elektronische Kommunikation, also auch an E-Mail-Marketing.
Anlass war ein Rechtsstreit in Rumänien: Ein Medienunternehmen schickte seinen Nutzer:innen Newsletter, nachdem diese sich für ein kostenloses Konto registriert und dort ihre E-Mail-Adresse angegeben hatten. Eine explizite Zustimmung zum Erhalt der Newsletter lag dem Unternehmen nicht vor – das hielt die rumänische Datenschutzbehörde für einen Verstoß gegen die DSGVO. Doch der EUGH gab dem Medienunternehmen recht und stellte klar:
Wenn ein Unternehmen die E-Mail-Adresse einer Kundin oder eines Kunden im Rahmen eines Kaufs, eines kostenlosen Services oder einer Dienstleistung erhalten hat, darf es dieser Kundin oder diesem Kunden auch ohne weitere Einwilligung Werbung für ähnliche Produkte oder Dienstleistungen per E-Mail senden. Voraussetzung ist, dass es sich dabei um eine Bestandskund:innenbeziehung handelt und beim ersten Kontakt eine klare Widerspruchsmöglichkeit angeboten wird.
Was bedeutet das Urteil für Marketing?
Das Urteil greift eine sogenannte Ausnahme für Bestandskund:innen auf, die bereits in der ePrivacy-Richtlinie geregelt ist – in Deutschland findet sich diese Regelung auch in § 7 UWG wieder. Sie erlaubt E-Mail-Werbung ohne erneute Einwilligung, wenn:
-
die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit einem Kauf oder einem anderen Dienst für die Kundin oder den Kunden erlangt wurde
-
die beworbenen Produkte oder Dienstleistungen ähnlich sind wie die gekauften
-
der/die Empfänger:in nicht widersprochen hat
-
bei jedem Versand klar und deutlich auf das Widerspruchsrecht hingewiesen wird
Diese Bedingungen gelten ausschließlich für den Versand an Bestandskund:innen und nicht für Kaltakquise. Wer neue Leads per Mail erreichen möchte, braucht weiterhin eine ausdrückliche Einwilligung.
Praxis-Tipps für Unternehmen
Wie lässt sich das EuGH-Urteil konkret im Alltag nutzen? Hier sind einige praktische Hinweise, um E-Mail-Kampagnen datenschutzkonform und rechtssicher zu gestalten:
Gestaltung der Opt-out-Möglichkeit
Ein bloßer Hinweis am Ende der E-Mail reicht nicht aus. Der Hinweis auf das Widerspruchsrecht muss klar, verständlich und leicht auffindbar sein, am besten direkt im sichtbaren Bereich der E-Mail. Eine einfache Formulierung wie „Sie können dem Erhalt weiterer E-Mails jederzeit widersprechen“ mit einem direkten Abmeldelink genügt.
Dokumentation nicht vergessen
Auch wenn keine Einwilligung vorliegt, sollte das Unternehmen genau dokumentieren:
-
wann und wie die E-Mail-Adresse erhoben wurde
-
was die Kund:innen gekauft oder welche Handlungen sie auf der Website durchgeführt haben
-
dass und wie sie auf das Widerspruchsrecht hingewiesen wurden
Diese Dokumentation ist im Streitfall Gold wert.
Grenzen und Risiken: Wann braucht man doch eine Einwilligung?
Trotz der gesetzlichen Lockerung sollten Unternehmen wachsam bleiben. Denn es gibt klare Grenzen:
-
Keine Nutzung von E-Mail-Adressen aus Visitenkarten oder Kontakten aus Social Media ohne Einwilligung
-
Keine Werbung für völlig neue Produktkategorien oder Dienstleistungen, die mit dem ursprünglichen Kauf oder Service nichts zu tun haben
-
Kein Versand an externe Adresslisten oder gekaufte Leads
Zudem ist das Urteil des EuGH zwar für die Auslegung europäischer Richtlinien relevant, die Umsetzung kann aber national unterschiedlich ausfallen. In Deutschland etwa bleibt das UWG die maßgebliche Grundlage, an der sich Marketingverantwortliche orientieren müssen.
Es lohnt sich daher, die eigenen Prozesse regelmäßig mit juristischen Fachleuten abzugleichen, besonders bei größeren Kampagnen oder bei grenzüberschreitendem Versand.
Fazit: Mehr Freiheiten – aber auch mehr Verantwortung
Das EuGH Urteil zum Newsletter-Versand schafft ein Stück mehr Rechtssicherheit für Marketer:innen. Unternehmen dürfen ihre Bestandskund:innen unter bestimmten Bedingungen auch ohne Einwilligung kontaktieren – ein wichtiger Schritt für effektives und rechtssicheres E-Mail-Marketing. Mit der neuen Freiheit kommt jedoch auch neue Verantwortung: Die Vorgaben müssen sauber eingehalten, Widerspruchsmöglichkeiten klar kommuniziert und Prozesse sauber dokumentiert werden. Für alle, die ihre E-Mail-Strategie rechtlich absichern und gleichzeitig effektiv gestalten wollen, bietet das Urteil eine gute Grundlage, ist aber längst keine Blankovollmacht.
No Comment